Vorwort

Im Bereich der Bildbe- und verarbeitung spielt der Computer eine immer größere Rolle. Im Unterschied zu konventionellen Technologien eröffnen sich beispielsweise durch die Einbeziehung von rechnergestützten Recherchesystemen völlig neue Möglichkeiten. Es werden neue Anwendungsfelder erschlossen.

Bislang werden solche Systeme mehr oder weniger ausschließlich im technisch/naturwissenschaftlichem Bereich eingesetzt: Die "bildnerischen" Gestaltungsregeln haben eine vergleichsweise einfache Struktur, die sich zudem leicht formalisieren läßt. Querbezüge und Vernetzungen zwischen einzelnen Bildern sind selten und von einfacher Art. Bei Recherchesystemen in diesem Bereich genügen daher indexorientierte Abfragen, die leicht mit den konventionellen Datenbankkonzepten (hierarchisch bzw. relational) modelliert werden können. Abfragen nach bildnerischen Inhalten oder Zusammenhängen sind damit so gut wie nicht möglich. In zahlreichen Anwendungen wie etwa bei großen Pressearchiven oder Bildarchiven im medizinischen Umfeld ist dies allerdings wünschenswert.

Die rasante Entwicklung bei Hard- und Software rückt solche Wünsche in den Bereich des Machbaren. Für eine Umsetzung muß jedoch die Struktur der Bildobjekte sowie die Art ihrer Vernetzung untereinander geklärt werden.

Das Œuvre Pablo Picassos stellt in dieser Hinsicht eine besondere Herausforderung dar. Wie im Bericht Nr. 14[1] gezeigt wird, läßt sich das einzelne Bild analysieren, formal rekonstruieren und mit anderen, die ähnlichen oder gar den gleichen Gestaltungsprinzipien folgen, in mehr oder weniger umfangreichen Werkgruppen zusammenfassen. Im Bericht Nr. 8[2] dieser Reihe wird das theoretische Rüstzeug der Informatik zur Modellierung solcher Strukturen vorgestellt.

Wird im Bericht Nr. 14 detailiert und ausführlich auf die bildnerische Logik und die Beziehungen innerhalb einer begrenzten Werkgruppe von Stilleben der Jahre 1923/24 eingegangen, so zeigt der vorliegende Bericht in Ergänzung dazu, daß sich formale Prinzipien und Verhaltensweisen über lange Zeiträume verfolgen lassen. Über die üblichen Ordnungskriterien nach chronologischen oder thematischen Gesichtspunkten hinaus besteht also die Möglichkeit einer Ordnung nach Entwicklungsmomenten, korrespondierendem bildnerischem Verhalten oder formalen Verwandschaften.

Die sich daraus abzeichnenden Möglichkeiten sind faszinierend: In Verbindung mit modernster Technologie ("Datenautobahnen" oder "Verteilte Datenbanken") könnten Konzepte der "Bildverwaltung und -verarbeitung" entwickelt werden, die für zahlreiche Anwendergruppen aus dem Bereich des Design, der Visuellen Kommunikation, der Freien Bildenden Kunst, der Aus- und Weiterbildung u.v.m., völlig neue Arbeitstechniken mit entsprechend innovativen Ergebnissen erschließen würden.

Aber auch ohne den Blick so weit in die Zukunft zu richten, ist gerade dieser Bericht ein positives Beispiel für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Bildender Kunst auf der einen und Informatik (bzw. EDV) auf der anderen Seite. Mit konventioneller Technologie hätte er nicht in so kurzer Zeit und vor allem nicht so kostengünstig produziert werden können: Im Zeichen der angespannten Haushaltslage wäre er wahrscheinlich ein Opfer des Rotstiftes geworden. Die notwendige Hard- und Softwareausstattung konnten wir dank der großzügigen Unterstützung des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr Rheinland-Pfalz im Rahmen des Forschungsverbundes Medientechnik Südwest beschaffen. Trotz aller Technikunterstützung ist schon allein aufgrund der hohen Zahl von Abbildungen die Aufarbeitung der Bildvorlagen und die Gestaltung des Layouts sehr aufwendig. Diese Aufgabe hat mit Engagement und Sachkenntnis Frau Andrea Acker übernommen. Dafür sei ihr an dieser Stelle herzlich gedankt.

Dr. Frank Wankmüller